Die Wahl dieses Motivs war kein Zufall. Auch wenn es heute etwas ironisch klingt, wurde der Name "Osiek" bereits seit dem 17. Jahrhundert mit Gerechtigkeit assoziiert – wenn auch eher im verzerrten Spiegel. Laut der "Altpolnischen Enzyklopädie" war Osiek Schauplatz eines berühmten Justizskandals, der in die Geschichte einging – allerdings ist unklar, welcher der zahlreichen Orte mit dem Namen Osiek gemeint war. Sicher ist nur, dass es sich um eine größere Stadt oder ein größeres Dorf handelte (Osiek im Kreis Środa Śląska scheidet also wahrscheinlich aus).

Dieser Vorfall wurde von Wacław Potocki in seinem satirischen Werk Jovialitates beschrieben. Er schrieb:

„Ein Schmied in Osiek, zwei waren Wagner.
Der Schmied stahl ein Pferd; gefasst, sollte er hängen.
Doch das Recht von Osiek ließ das lange nicht zu,
Denn hier sprach die Gerechtigkeit, dort aber: ohne Schmied
geht's nicht. Am Ende, nach langem Hin und Her,
henkten sie anstelle des Schmieds den zweiten Wagner.”

Dieses Gedicht zeigt ein groteskes Dilemma: den diebischen Schmied hängen oder ihn wegen seiner Nützlichkeit verschonen? Die Lösung? Man hängt... jemand anderen. Dieser absurde Vorfall wurde zur Quelle zahlreicher Sprichwörter, die heute fast vergessen sind, wie etwa:
„Gerechtigkeit wie in Osiek“, „Wahrheit von Osiek“, „Ordnung wie in Osiek“, „Haushalt wie in Osiek – einer auf dem Feld, acht in der Scheune.“

Auch wenn kein offizielles Dokument über die Verleihung des Wappens erhalten ist, gibt es starke Hinweise auf seine Existenz. Der wichtigste ist das Gemeindesiegel aus dem 19. Jahrhundert, das eben jene Themis zeigt. Wie Paweł Dudziński im Alphabet der Heraldik bemerkt, entstanden viele Dorfwappen gerade im 19. Jahrhundert, als die Gromadas Gemeinderechte erhielten. Dieses Phänomen war besonders in Schlesien und Kleinpolen zu beobachten. Damals bezogen sich Dorfwappen oft auf den Ortsnamen oder enthielten Symbole landwirtschaftlicher Werkzeuge.

Im Jahr 1998 wurde das Wappen mit Themis durch Beschluss der lokalen Behörden offiziell wieder eingeführt. Interessanterweise behielt Osiek nach dem Zweiten Weltkrieg seinen administrativen Charakter – es wurde ein Gromada-Volksrat einberufen, der die Tradition der lokalen Selbstverwaltung fortsetzte.